Mouches Volantes: Leuchtstruktur des Bewusstseins und Meditation mit offenen Augen.
Fragen und Antworten von Floco Tausin zum Thema: Glaskörpertrübungen bzw. Mouches volantes  oder fliegende Mücken.
Mouches volantes und das Bewusstsein
Ganzheitlich Sehen: Floco Tausin's Newsletter.
Eine Sammlung von Links zum Thema Mouches volantes.
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News: Ganzheitlich Sehen

"Ganzheitlich Sehen"

2/22 (Nr. 54)
ISSN 1662-808X
Ganzheitlich Sehen News Linie
Inhalt

1) Hauptartikel: Mouches volantes in den Religionen: Der Buddhismus – Teil 2: Mythische Visionen
2) Leuchtstruktur in Natur: Perlen
3) Bilder und Stimmen: Leuchtstruktur und Lichtfleckstruktur
4) Nestors Praxistipps: Emotionen I

Ganzheitlich Sehen News Linie
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Einführung

Meditation mit offenen Augen

Neues Buchprojekt

„Ganzheitlich Sehen“ ist der Newsletter des Autors und Bewusstseinsforschers Floco Tausin. Er begleitet die Entstehung des neuen Buches „Neun Lichter“, die Fortsetzung von „Mouches Volantes“.
Neues Buchprojekt: Neun Lichter - Die Leuchtstruktur des Bewusstseins.
Neues Buchprojekt: Neun Lichter - Die Leuchtstruktur des Bewusstseins. (Quelle)

Thema des neuen Buches sind wieder die Gespräche zwischen Floco, Nestor und den Seherinnen und Sehern der „linken Seite der Emme“. Erstmals begegnet Floco aber auch anderen Schülerinnen und Schülern, die das Sehen lernen. Im Mittelpunkt der Gespräche und Begegnungen steht das ganzheitliche Sehen der transparenten fliegenden Punkte und Fäden im Blickfeld, den so genannten „Mouches volantes“. Erforscht und beschrieben werden sie als Konzentrationsgegenstand für die Meditation mit offenen Augen; als leuchtende Bewusstseinsstruktur, in welcher wir einen Weg zu unserem Ursprung zurücklegen; sowie als Ursache von Erscheinungen in Natur und Kultur.

Hauptartikel

Mouches volantes in den Religionen: Der Buddhismus – Teil 2: Mythische Visionen

Dharma-Körper. Moderne Darstellung.
Mouches volantes – Glaskörpertrübung oder Bewusstseinslicht? Der Blick auf Religionen lässt vermuten, dass Mouches volantes für viele Menschen eine spirituelle Bedeutung hatten. In diesem Artikel werden Mouches-volantes-Motive im Buddhismus vorgestellt.

Der neuste Hauptartikel ist nicht frei zugänglich.

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Leuchtstruktur in Natur

Für die Seher ist Bewusstsein die Ursache aller Existenz. Aus dem fliessenden Bewusstseinslicht entsteht die Leuchtstruktur. Deren Grundprinzipien organisieren im Grossen wie im Kleinen den Aufbau und das Funktionieren von Leben. Der Blick in die Natur eröffnet einen Zugang zu den leuchtenden Kugeln und Fäden.

Perlen

Perlen sind Naturprodukte von schalenbildenden Weichtieren (Conchifera), insbesondere von Muscheln. Doch von den zahlreichen Muschelarten sind nur wenige in der Lage, Perlmutt (oder Perlmutter, die „Mutter der Perle“) und damit auch Perlen zu bilden. Perlmutt ist ein glänzendes und in den Regenbogenfarben schillerndes Biomineral. Muscheln kleiden das Innere ihrer Schalen damit aus, um sich gegen Krankheiten und Fressfeinde zu schützen. Dasselbe Mantelgewebe, das die Perlmuttschicht erzeugt, lässt auch Perlen entstehen.

Wie Perlen genau entstehen, ist nicht vollständig geklärt. Muscheln sind Filtrierer. Wenn sie ihre Schalen öffnen, entnehmen sie dem einströmenden Wasser Sauerstoff und Nahrung. Dabei können Fremdkörper in sie eindringen, was manchmal zur Entstehung einer Perle führt. Früher hielt man eingelagerte Sandkörner für die Ursache von Perlen. Heute gehen Forscherinnen und Forscher von Organismen aus, insbesondere Parasiten, die in die Muschel gelangen. Die Muschel reagiert mit einem Abwehrmechanismus: Ihr Mantelgewebe umschliesst den Fremdkörper und sondert Perlmutt ab. Einer anderen Theorie zufolge entsteht die Perle nicht um einen Fremdkörper, sondern in einem Hohlraum, der sich durch eine Verletzung des Mantelgewebes gebildet hat. Jedenfalls wächst die Perle über Jahre hinweg – je grösser die Muschel und je länger die Zeitdauer, desto grösser die Perle.

Eine geöffnete Auster mit Perle.
Eine geöffnete Auster mit Perle. Quelle (9.7.22)
Perlen sind begehrte Schmuckstücke, und das seit Jahrtausenden. Sie faszinieren durch ihre rundlichen Formen, ihre diversen Farbtöne und ihre Fähigkeit, Licht zu reflektieren und in den Regenbogenfarben zu schillern. Ausserdem müssen sie im Gegensatz zu Edelsteinen nicht bearbeitet werden, sondern können als fertige Elemente für Kunstwerke, Kleidung oder Schmuck verwendet werden. Kein Wunder, dass Menschen schon seit Jahrtausenden nach Perlen tauchen. Doch bevor im 20. Jahrhundert die industrielle Züchtung von Perlen einsetzte, blieb die Ausbeute gering. Perlen waren damit eher selten und entsprechend wertvoll.
Diverse Formen und Farben von Perlen.
Diverse Formen und Farben von Perlen. Merkmale wie die Form, die Grösse, die Beschaffenheit der Oberfläche, der Glanz (der sog. Lüster) und die Farbe bestimmen ihre Qualität und damit ihren Preis. Quelle (9.7.22)

Es ist also kein Zufall, dass Perlen in vielen Kulturen als ein Symbol für irdische wie auch transzendente Schönheit, Reichtum, Reinheit und Macht gelten. In diversen Mythen heisst es beispielsweise, Perlen seien ein Geschenk der Götter oder anderer Himmelswesen an die Menschen, sie seien die Tränen von Engeln oder Meerjungfrauen, oder sie würden vom Himmelstau, Sonnenschein, Mond und von den Sternen abstammen. Entsprechend wurden Perlen auch zu rituellen Zwecken eingesetzt, etwa zur Abwehr von Geistern und bösen Kräften oder als Opfergabe für die Ahnen. Angesehene und mächtige Personen schmückten sich mit Perlen, aber auch Götterstatuen, sowie heilige und rituelle Gegenstände wurden damit verziert, um ihre andersweltliche Macht zu signalisieren. Sowohl in westlichen wie in östlichen Religionen wurde die Perle zudem als Metapher für einen spirituellen Schatz wie Weisheit, das Paradies oder Erleuchtung verwendet. Und schliesslich haben Sufis, Yogis und andere Seherinnen und Seher ihre Lichtvisionen unter anderem mit Perlen oder Perlensträngen verglichen.

Letzteres ist ein Hinweis darauf, dass auch die Leuchtstruktur Teil dieser Lichtvisionen gewesen sein könnte (Tausin 2019a, 2019b). Jedenfalls ist die Perle eine gute Beschreibung für die Leuchtkugeln: In beiden Fällen handelt es sich um runde, schön anzusehende und glänzende Erscheinungen. Und beide weisen eine Kern-Umkreis-Struktur auf. Denn im Gegensatz zu gezüchteten Perlen wachsen natürliche Perlen Schicht für Schicht, ähnlich wie Bäume mit ihren Jahresringen. Diese Schichten werden sichtbar, wenn man in eine Perle hineinblickt.

Querschnitt durch natürlich gewachsene Perlen.
Querschnitt durch natürlich gewachsene Perlen. Bild-links / Bild-mitte / Bild-rechts (9.7.22)

Könnte die Verbindung zwischen Perlen und der Leuchtstruktur mehr sein als nur eine visuelle Analogie? Tendenziell gilt: Je höher das evolutionsgeschichtliche Alter eines Lebewesens, desto simpler sind die Strukturen, die es bildet. Und desto eher gleichen diese Strukturen der Leuchtstruktur. Die Leuchtstruktur als Organisationsprinzip des Lebens könnte den Bauplan früher Lebensformen unmittelbar geprägt haben (vgl. News 1/18). Zu diesen frühen Lebensformen gehören auch die Muscheln. Zusammen mit anderen Weichtieren sind sie vor ca. 550 Mio. Jahren entstanden, und damit vor Fischen, Amphibien und Säugetieren. Wenn aber Muscheln und ihre Perlen ein Abbild der Leuchtstruktur sind, könnte uns das wiederum etwas über die Leuchtstruktur sagen.

Die Perle ist das Produkt eines Lebewesens, das einen Fremdkörper mit der eigenen Substanz umgibt und ihn damit isoliert. Könnte sich ein solcher Prozess auch bei der Entstehung der Leuchtstruktur ereignet haben? Demnach trennt Bewusstsein nicht einfach nur Licht und Dunkelheit, sondern es trennt das Andere vom Eigenen. Diese Trennung geschieht nicht durch die Entfernung, noch durch die Vernichtung des Anderen, sondern durch Isolation. Dies sehen wir in den zwei Arten der Leuchtkugeln: Licht umgibt die Dunkelheit, und Dunkelheit das Licht. Wenn hier also das Eigene vom Anderen getrennt worden ist, dann müsste Bewusstsein in einer dualen Existenz vorhanden sein: Das Bewusstsein des Lichts umgibt den Fremdkörper der Dunkelheit, und das Bewusstsein der Dunkelheit tut dasselbe mit dem Fremdkörper des Lichts. Somit wäre die Leuchtstruktur das Produkt nicht nur von einem, sondern von zwei Bewusstseinen, die sich weder vollständig trennen, noch vollständig verschmelzen können – wie zwei Liebende in einer leidenschaftlichen Beziehung. Bewusstseinsarbeit könnte uns also zur Erkenntnis führen, dass wir nicht nur ein, sondern zwei Bewusstseine haben. Dass also mal das Licht und mal die Dunkelheit das Eigene ist. Und dass wir in unseren Handlungen mal das Licht und mal die Dunkelheit einschliessen und isolieren. Ob der befreite Zustand letztlich darin liegt, diese Bewusstseine permanent auszugleichen, sie zu einer Art Überbewusstsein zu verschmelzen oder das Eine zugunsten des Anderen aufzugeben – dies ist eine Frage, die sich womöglich klärt, wenn wir unserer Quelle sehr nahe sind oder sogar in sie eingehen.

Literatur/Links:
    - „7 Factors for Pearl Quality Appreciation“ (Far East Gem Institute). Fareastgem.institute. fareastgem.institute (8.7.22)
    - „Die Perle von Tahiti“ (Dokumentarfilm von Patrick Voillot). Youtube.com. youtube.com (6.7.22)
    - „Formation of a Pearl“ (NatGeoWILD). Youtube.com. youtube.com (7.7.22)
    - „Muscheln (Bivalvia)“. Weichtiere.at. weichtiere.at (13.7.22)
    - „Perlmutt“. Chemie.de. chemie.de (7.7.22)
    - Sustainable Pearls. sustainablepearls.org (11.7.22)
    - „Sustainable Jewelry: Are Pearls Really Eco-Friendly Gems? Some Say No“ (The Pearl Source Blog). Thepearlsource.com. thepearlsource.com (11.7.22)
    - Tausin, Floco (2019a): Mouches volantes in den vorderasiatischen Religionen. Zoroastrismus, Judentum, Christentum und Islam. Bern: Leuchtstruktur Verlag
    - Tausin, Floco (2019b): Mouches volantes in den indischen Religionen. Veden, Hinduismus, Buddhismus. Bern: Leuchtstruktur Verlag
    - „Wunder der Natur: Perlen“ (NZZ Format, 2003). Youtube.com. youtube.com (7.7.22)
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Bilder und Stimmen

Das Bewusstseinslicht und dessen Struktur wurde von Menschen zu allen Zeiten gesucht und erfahren. Manche haben kreative Wege des Ausdrucks gefunden. Bilder und Stimmen von Forschenden und Kunstschaffenden.

Leuchtstruktur und Lichtfleckstruktur

Diese schöne Fotografie der Leserin Samantha zeigt einen regenbogenfarbenen Lichtfleck, in dem Punkt- und Fadenstrukturen sichtbar werden. Diese kleineren Strukturen – ich nenne sie „Lichtfleckstruktur“ – sehen aus wie die Kugeln und Fäden der Leuchtstruktur. Die Vermutung liegt also nahe, dass die Lichtfleckstruktur und die Leuchtstruktur dasselbe sind. Damit aber wäre die Leuchtstruktur kein rein subjektives Phänomen – man kann sie fotografieren und anderen zeigen. Trifft das zu?
Irisierender Lichtfleck mit Punkt- und Fadenstrukturen. Fotografie von Samantha.
Irisierender Lichtfleck mit Punkt- und Fadenstrukturen. Fotografie von Samantha.
Wer seine Leuchtstruktur aufmerksam beobachtet, stellt bald fest, dass es immer dieselben Punkte und Fäden sind, die man sieht. Doch gerade diese individuellen Punkte und Fäden zeigen sich in den Lichtfleckfotografien nicht. Zumindest die eigene Leuchtstruktur ist also rein subjektiv und kann nicht fotografiert werden. Könnten die fotografierten Lichtfleckstrukturen aber dennoch Kugeln und Fäden der Leuchtstruktur sein – zwar nicht die eigenen, aber andere? Schliesslich ist die Leuchtstruktur viel umfassender als der kleine Ausschnitt, den wir sehen.

Um diese Frage zu beantworten, können wir uns am Sehen orientieren. Denn der optische Effekt, den Samantha für die Fotografie ausgenutzt hat, lässt sich auch für das Sehen erzeugen. Dazu halten wir uns beispielsweise eine von der Sonne beschienene Kugelschreiberspitze dicht vor das eine Auge. Wir blicken dann in das von der Spitze reflektierte Lichtpünktchen, das, weil so nah am Auge, als grosser verschwommener Lichtfleck erscheint. In diesem Fleck sehen wir einerseits die Lichtfleckstruktur, andererseits unsere Leuchtstruktur. Die beiden können klar unterschieden werden: Die Punkte und (eher seltenen) Fäden der Lichtfleckstruktur erscheinen gross und verschwommen. Sie bewegen sich kaum, sondern bilden eine Art stationärer Vordergrund. Bei leichter Bewegung des Kugelschreibers können sie sich sprunghaft verändern oder plötzlich erscheinen und verschwinden. Auch unsere bekannten Kugeln und Fäden der Leuchtstruktur sehen wir in diesem Lichtfleck, zusammen mit einem hintergründigen „Meer aus Punkten“ (News 2/17 und News 4/10). Doch im Gegensatz zur Lichtfleckstruktur erscheint die Leuchtstruktur klein und scharf, also in ihrer konzentrierten Form. Und die Kugeln und Fäden bewegen sich auch nicht sprunghaft, sondern stetig, schneller oder langsamer, je nach Schicht. Denselben Effekt erreichen wir übrigens auch ohne Hilfsmittel, wenn wir mit leicht zugekniffenen Augen ins Sonnenlicht blicken. Die beschienen Wimpern reflektieren das Licht, erzeugen sich überlagernde Lichtflecke, in denen wiederum beide Strukturen zu sehen sind, die Lichtfleckstruktur und die Leuchtstruktur.

Die Seher fokussieren allein auf die Leuchtstruktur, die ihnen zufolge einen klaren Aufbau hat, und die auch bei ganz geöffneten Augen zu sehen ist. Die Lichtfleckstruktur hat für sie hingegen keine Bedeutung. Sie halten weder den Lichtfleck, noch die darin enthaltene Struktur für Bewusstseinsphänomene. Doch was sind sie dann? Es gibt eine optische Erklärung: An einem Gegenstand wie den Wimpern, der Kugelschreiberspitze oder auch – bei Digitalfotografien – den Schwebeteilchen in der Luft wird das Licht reflektiert und gestreut, wobei sich die Lichtwellen überlagern und sich mancherorts gegenseitig auslöschen oder verstärken (Interferenz). So entstehen die Lichtflecken und die Regenbogenfarben darin. Bei der Lichtfleckstruktur wiederum könnte es sich um Staubkörnchen oder Staubfäden auf der Linse bzw. auf unserem Auge handeln (vgl. Zawischa n/a).

Eine optische Erklärung schliesst allerdings nicht aus, dass es sich nicht doch um spirituell bedeutsame Phänomene handeln könnte. Denn die optische Erklärung kann falsch oder unvollständig sein. Bei den Mouches volantes beispielsweise enthüllt das eigene Sehen Eigenschaften, die durch die physiologische Beschreibung nicht erfasst werden (Tausin 2019a). Zudem kann die Kraft unserer Aufmerksamkeit, die wir in einen Gegenstand geben, diesen in optischer, und in der Folge auch in symbolischer Hinsicht bereichern. Das ekstatische Sehen ist ein gutes Beispiel dafür: Energie strömt aus unserem psychophysischen System in die Leuchtstruktur, lässt sie näher kommen und aufleuchten – was die Seher wiederum in einem spirituellen Sinn als Fortschritt in der Leuchtstruktur verstehen. Ähnliches könnte für die Lichtfleckstruktur gelten. Gibt es seherische Berichte über Lichtflecken und ihre darin enthaltenen Strukturen?
Regenbogenkreise als Teil der Tögal-Visionen.
Regenbogenkreise als Teil der Tögal-Visionen. Quelle: Olds 2010.
Einen Hinweis finden wir im Tögal, einer Praxis der tibetisch-buddhistischen Lehren des Dzogchen (tib. „Grosse Vollendung“). Bei dieser Meditationsform wird das Bewusstsein als klares Licht visioniert. Unter den erscheinenden Lichtphänomenen werden die thigle (tib. „Tropfen“) genannt, auch bekannt als „Regenbogenkreise“. Interessanterweise gehen die Autoren des Dzogchen davon aus, dass die Thigle zwar durch physiologische und optische Prozesse entstehen und somit grundsätzlich von allen Menschen gesehen werden können. Die Dzogchen-Yogis aber entwickeln die Tögal-Lichtvisionen weiter, so dass sich ihr spirituelles Potenzial zeigt: Dann werden sie eben als Ausdruck des leuchtenden Bewusstseins und als Portal zu komplexeren Bildern und Visionen begriffen (Hatchell 2014). Nach meiner Kenntnis ist es nicht eindeutig, welche optischen oder entoptischen Phänomene genau den Thigle zugeordnet werden. Vermutlich wurde der Begriff teils mit der Leuchtstruktur, teils mit der Lichtfleckstruktur – oder zumindest mit den sog. mehrringigen „Regenbogenkreisen“ darin – und teils mit dem Lichtfleck selbst assoziiert. Die Yogis berichten beispielsweise, dass die simplen, beweglichen und leuchtenden punktierten Kreise oder Kugeln – vermutlich die Kugeln der Leuchtstruktur – mit zunehmendem Fortschritt als grosse stabile konzentrische Regenbogenkreise erscheinen. Entsprechend sind die Regenbogenkreise für die Dzogchen-Yogis eine fortgeschrittene Vision und ein klarerer Ausdruck der Manifestation des reinen Bewusstseins (Tausin 2019b).

Bei uns im Westen wiederum ist es der Lichtfleck, der auf reges spirituelles Interesse gestossen ist, und zwar seit dem Aufkommen der Digitalkameras. Denn auf Digitalfotografien (teils auch auf Videos) erscheinen solche Lichtflecken immer wieder. Bald wurde in esoterischen, spirituellen und grenzwissenschaftlichen Kreisen über deren Bedeutung diskutiert. Die Lichtflecken wurden als „Orbs“ oder zu Deutsch als „Geisterflecken“ bekannt. Oft werden sie als Lichtwesen aus anderen Dimensionen interpretiert, z.B. als Engel oder Dämonen, die mit unterschiedlichen Botschaften zu uns kommen, über die wiederum ihre Farbe Aufschluss gibt. Manchmal werden Orbs auch als Fahrzeuge dieser Wesen begriffen, als Seelen Verstorbener oder auch als geistige Energie des oder der Fotografierenden. Besonders häufig sollen Orbs an spirituell bedeutsamen Orten (z.B. Kirchen oder Friedhöfen) zu fotografieren sein, in Momenten ausgelassener Freude und Liebe (Hochzeiten, Taufen etc.), bei spirituellen Anlässen wie Ritualen oder Heilsitzungen, oder auch bei kreativen Aktivitäten. Etwas weniger beachtet sind die geometrischen Strukturen innerhalb der Orbs. Sie sind divers und nur teilweise als Kugeln und Fäden erkennbar. Sie erscheinen auch als Ringe, Zellen oder als chaotisches Gewusel. Manche Orb-Forschende interpretieren diese Strukturen als Ausdruck der unterschiedlichen Eigenschaften der Lichtwesen oder auch als Mandalas.
Orbs. Fotografie von Thomas Irlbeck.
Orbs. Fotografie von Thomas Irlbeck. Quelle (18.7.22).
Das Thema wurde populär, mittlerweile gibt es Bücher und Dokumentarfilme über Orbs. Forschende wie Miceal Ledwith und Klaus Heinemann (Heinemann/Ledwith 2007) haben die optisch-wissenschaftliche Erklärung anhand zahlreicher Aufnahmen unter diversen Umständen geprüft und sie als unzureichend empfunden. Demnach lassen sich zwar viele Orbs optisch erklären, aber eben nicht alle. Manche lassen sich auch ohne Blitzlicht und mit analogen Kameras fotografieren. Manche seien beweglich, zeigten intelligentes Verhalten, und könnten sogar von blossem Auge gesehen werden. Dies zeigt, dass das Orb-Phänomen sehr divers ist und womöglich die Beobachtung entoptischer Erscheinungen einschliesst.
Diverse Orbs und ihre Strukturen.
Diverse Orbs und ihre Strukturen. Quelle (18.7.22).

Die spirituelle Deutung des Orb-Phänomens lässt sich als Teil einer technospirituellen Bewegung sehen, die im 19. Jahrhundert mit dem Aufkommen der Fotografie eingesetzt hat. Seit damals versuchen Menschen, Geister oder andere paranormale Phänomene durch Technologien wie Fotoapparate, Tonbänder, Fernseher und nun auch digitale Geräte und Medien zu erfahren und zu beweisen. Die Überlegung dabei ist, dass es sich bei Geistern um objektive Kräfte oder Wesen handelt, die in Frequenzen schwingen, die wir zwar nicht wahrnehmen, sie aber mit geeigneten Apparaten sichtbar machen können.

Für die Seherinnen und Seher ist das Orb-Phänomen kaum von Interesse. Die Praxis der Orb-Fotografie würde ihnen nicht reichen, selbst wenn sich dadurch andere Dimensionen und ihre Wesen abbilden und somit beweisen liessen. Natürlich wäre ein solcher Beweis aufregend und würde die Weltsicht selbst der Skeptiker radikal verändern. Und womöglich könnten wir dadurch auch Phänomene wie Geistheilung, Energiearbeit, Engel und andere mythologische Wesen rational erklären, wie manche Orb-Forschende es behaupten. Doch würde unser Bewusstsein dadurch auch leuchtender und freier werden? Den Sehern zufolge führt die Bewusstseinsarbeit zur Erkenntnis, dass die Phänomene dieser Welt – mögliche Geister eingeschlossen – nichts anderes sind als Bewusstseinslicht in bestimmten Formen, und dass dieses Licht unsere wahre Natur ist. Dies wird direkt durch den inneren Sinn gesehen, technologische Hilfsmittel können uns diese Erkenntnis nicht vermitteln. Den Beweis dafür können wir nur für uns selbst erbringen, nicht für andere.

Die Beschäftigung mit den Lichtflecken als Orbs kann dennoch eine Bewusstseinsarbeit sein. Etwa dann, wenn diese Praxis auch ein Anlass ist, uns beispielsweise in eine positive oder meditative Stimmung zu versetzen oder eine forschende Neugier zu entwickeln. Und wenn sie uns dazu ermutigt, eine bewusstere Lebensweise zu wählen, an uns selbst zu arbeiten und unser Bewusstsein zu ergründen. Und nicht zuletzt schenken uns Orbs-Fotografinnen wie Samantha wunderbare Bilder, über die wir staunen und die wir geniessen können.

Danke, Samantha, für dein Bild!


Literatur/Links:
    - Zawischa, Dietrich (n/a), „Zufallsbeobachtungen (Abschnitt „Tröpfchen, Bokeh und Beugung“)“. Itp.uni-hannover.de.
    itp.uni-hannover.de (11.7.22)
    - Heinemann, Klaus; Ledwith, Miceal (2007): The Orb Project. New York: Simon & Schuster Inc.
    - „Das Geheimnis der Orbs“. Tagesspiegel.de, 23.9.08. tagesspiegel.de l (5.7.22)
    - „Geister auf digitalen Fotos?“ Focus.de, 27.3.16. focus.de (5.7.22)
    - Hatchell, Christopher (2014): Naked Seeing: The Great Perfection, The Wheel of Time, and Visionary Buddhism in Renaissance Tibet. Oxford University Press
    - Olds, Robert & Rachel (2010): Luminous Heart of Inner Radiance. Drawings of the Tögal Visions. Heart Seed Press
    - „Orbs – der Schleier hebt sich“ (Dokumentarfilm). Youtube.com. youtube.com
    - Tausin, Floco (2019a): Mouches volantes – Glaskörpertrübung oder Bewusstseinslicht? Bern: Leuchtstruktur Verlag
    - Tausin, Floco (2019b): Mouches volantes in den indischen Religionen. Veden, Hinduismus, Buddhismus. Bern: Leuchtstruktur Verlag
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Nestors Praxistipps

Das Sehen von Mouches volantes ist eine sehr einfache und leicht zugängliche Übung. Um es aber zur meditativen Praxis zu entwickeln, können einige Tipps von Nestor helfen.

Emotionen I

Emotionen sind innere Kräfte, die uns bewegen (von lat. emovere – heraus-/emporbewegen). Diese Bewegungen können belebend oder auch belastend wirken. Beispielsweise helfen uns Emotionen, die Wahrnehmung zu schärfen, Botschaften mitzuteilen, Motivationen zu stärken, Handlungsziele zu setzen und Entscheidungen zu treffen. Sie können aber auch innere Klarheit verhindern, uns zu verletzenden Handlungen verleiten, uns lähmen oder uns das Leben auf Abstand halten lassen. Ein guter Umgang mit unseren Emotionen ist somit eine wichtige menschliche Fähigkeit – egal, ob wir nach beruflichem Erfolg, nach einer harmonischen Partnerschaft oder nach spiritueller Vervollkommnung streben. Entsprechend gilt auch für das Sehen: Emotionen können ein Weg zum Sehen sein, oder sie können uns vom Sehen ablenken.



Was sind Emotionen und woher kommen sie?


Tagtäglich nehmen wir unzählige Sinnesreize wahr und machen uns viele Gedanken. Emotionen sind Reaktionen unseres Körpers darauf, wie wir diese Reize und Gedanken bewerten. Manche davon erleben wir als angenehm und empfinden Freude. Andere erfahren wir als bedrohlich oder unverschämt und reagieren mit Angst oder Wut. Was genau eine Emotion ist und welche Gefühlsregungen dazuzählen, ist umstritten. In der Forschung werden Emotionen häufig von Gefühlen unterschieden: Manchmal dient „Gefühl“ als Oberbegriff für alle möglichen psychischen Erfahrungen, inklusive Emotionen. Manchmal wird lediglich der bewusst gewordene Anteil der Emotionen als „Gefühl“ bezeichnet. Emotionen wären dann die eher kurzweiligen und unbewussten Regungen bzw. Affekte, die mit physiologischen Veränderungen wie erhöhtem Herzschlag oder schnellerer Atmung einhergehen. Häufig werden auch sog. „Basisemotionen“ wie Freude, Trauer, Angst, Wut, Scham, Überraschung und Ekel genannt. Solche grundlegenden Gefühlsregungen sind in allen Kulturen bekannt und bewirken in den Menschen gleiche oder ähnliche physiologische Reaktionen.

Emotionen gelten als eine Anpassung höherer Lebewesen an die Herausforderungen in einer gefährlichen Umwelt. Auch die Körper unserer Vorfahren mussten bei Bedarf rasch Energie bereitstellen um zu flüchten oder zu kämpfen. Beispiel: Ein Mensch hört ein ungewöhnliches Geräusch im Gebüsch, das von einem wilden Tier stammen könnte. Durch diese Wahrnehmung beschleunigt sich sein Herzschlag, Hormone wie Adrenalin werden ausgeschüttet und die Blutzufuhr in die Beinmuskulatur verstärkt. Dieser Zustand, den der Mensch als Furcht erfährt, lässt ihn aufmerksam horchen und bei Bedarf sofort die Flucht ergreifen, was ihm womöglich das Leben rettet. Andere Emotionen wie Bewunderung, Freude, Liebe, aber auch Scham, Stolz und Eifersucht wiederum halfen Menschen, sich in Gruppen zu organisieren, zu kooperieren und sich fortzupflanzen.

Während sich unsere Lebensweise in den letzten paar tausend Jahren stark verändert hat, wirkt in uns noch immer dieses archaische emotionale System. Deshalb ist so manche emotionale Reaktion, die für unsere Vorfahren überlebenswichtig war, in unserem modernen Leben unangebracht oder sogar schädlich für uns und andere. Zwar haben unterschiedliche Gesellschaften Regeln entwickelt, um Emotionen zu kontrollieren und ein Zusammenleben unter modernen Umständen zu ermöglichen. Doch diese Regeln sagen uns nur, welche Emotionen in welcher Situation, Intensität und Dauer angebracht oder eben nicht angebracht sind. Sie zielen darauf, dass wir ein funktionierendes und angepasstes Mitglied der Gesellschaft sind. Und nicht darauf, dass wir – geschweige denn wie wir – unsere Emotionen für die Bewusstseinsentwicklung nutzen. Ein typisches Beispiel: Wenn wir lernen, Wut zu unterdrücken, lässt sich in einem entsprechenden Moment zwar Streit oder Schlimmeres verhindern. Auf Dauer aber kann dies zu Selbstentfremdung und anderen psychosomatischen Störungen führen.

Mit Emotionen arbeiten - Emotionen aus seherischer Sicht.
Mit Emotionen arbeiten - Emotionen aus seherischer Sicht. (Quelle)

Emotionen aus seherischer Sicht

Lebensenergie kann sich durch alle unsere unterschiedlich subtilen Körper ausdrücken. Sie erscheint als physische Bewegung, als Gedanken oder eben als Emotionen. Emotionen gehören zu den Bewegungen unseres Gefühlskörpers. Doch wie die anderen Ausdrucksformen sind auch Emotionen gebundene Energien. Sie sind in ihrer Erscheinung abhängig von unserer Persönlichkeit, unseren Erfahrungen und bestimmten Bewusstseinsinhalten. Somit sind sie Teil unserer Kleinen Welt. Sie verdunkeln die Leuchtstruktur und behindern das Sehen. Wie im Fall der Gedanken oder der sexuellen Energie raten uns die Seher, die gröbere Energie der Emotionen in feinere Energie und schliesslich in reines Bewusstseinslicht umzuwandeln. Wie tun wir das? Inspiriert durch meine Gespräche mit den Sehern, und ergänzt durch die Literatur, habe ich vier Ansätze zusammengestellt: 1) mit Emotionen arbeiten; 2) Emotionen vermeiden; 3) am Gefühlskörper arbeiten; und 4) Emotionen als Energie erkennen. Diese Ansätze ergänzen sich gegenseitig, doch je nach Situation, Interessen und Fähigkeiten kann die eine oder andere Strategie für uns wichtiger oder weniger wichtig sein.



1) Mit Emotionen arbeiten

Um die Kraft der Emotionen in Bewusstheit umzuwandeln, hilft es zunächst, unsere „emotionale Intelligenz“ zu entwickeln. Dieser Begriff ist im Zuge der neurologischen Emotionsforschung seit Ende des 20. Jahrhunderts entstanden. Hier hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass unsere Intelligenz, unser Denken und unser Handeln ebenso sehr von unseren Emotionen abhängen wie von unserem Verstand. Und dass Emotionen damit ebenso wichtig sind wie der Verstand, um individuelle und gesellschaftliche Herausforderungen zu bewältigen. Die einseitige Schulung des Verstandes soll also durch die emotionale Schulung ergänzt werden. Dabei wird oft ein Mittelweg gesucht zwischen Unterdrückung der Emotionen und der affektiven Reaktion: Emotionen sollen nicht unterdrückt werden, weil damit unaufgelöste Themen ins Unbewusste verfrachtet werden könnten, wo sie die Entwicklung psychischer Störungen wie Depressionen oder Phobien begünstigen. Andererseits sollen Emotionen auch nicht einfach im Affekt ausgelebt werden, weil Menschen dann oft verletzend handeln und sich die Fronten verhärten. Es geht also darum, bewusst mit Emotionen zu arbeiten, damit wir uns über sie im Klaren sind, ihre Botschaft verstehen und sie kontrollieren können. Folgende Vorgehensweisen helfen dabei: Emotionen zulassen, wahrnehmen, ableiten, analysieren und positive Emotionen kultivieren.



Emotionen zulassen und wahrnehmen

Was einfach klingt, ist es nicht unbedingt. Denn das bewusste Zulassen und Wahrnehmen von Emotionen üben wir kaum. Hingegen lernen wir, dass bestimmte Emotionen in bestimmter Intensität und in bestimmten Situationen unangebracht sind. Also bewegen wir unsere Aufmerksamkeit weg von ihnen. Wir unterdrücken und überspielen sie. Hier gilt es umzulernen. Wir wenden uns der Emotion bewusst zu und versuchen sie zu benennen. Was genau ist es, das uns schlecht fühlen, unseren Puls rasen oder uns schwitzen lässt? Ist es z.B. Ärger? Scham? Oder Eifersucht? Oder eine Mischung aus all dem? Manchmal wissen wir das sofort, manchmal braucht es vielleicht etwas Zeit, um die Emotion benennen zu können. Doch früher oder später können wir uns selbst z.B. sagen: „Das ist Ärger, ich fühle Ärger“. Bereits diese Einsicht gibt uns ein wenig Kontrolle zurück, und womöglich müssen wir diesen Ärger dann nicht gleich auf eine verletzende Weise ausdrücken. Manchmal allerdings erfordern es die Umstände, dass wir die Emotion erst einmal zurückstellen, um handlungsfähig zu bleiben. Dann aber sollten wir die Übung in einer entspannten Atmosphäre nachholen, uns erneut in die Situation versetzen und z.B. erkennen: „Was ich heute in dieser Situation gefühlt habe, war Scham, ich habe mich geschämt“.



Emotionen ableiten

Manchmal sind Emotionen so heftig, dass wir sie weder bändigen noch zurückstellen können. Um sie nicht auf eine schädliche Weise auszuleben, hilft es, sich für einen Moment zurückzuziehen und sie körperlich und sinnlich abzuleiten. Ein Spaziergang oder einige Körper- und Atemübungen können helfen, von der intensiven Emotion erst einmal runterzukommen. Angenehme Ablenkungen wie Fernsehen, Lesen und Spielen oder die Stimulierung der Sinne beispielsweise durch eine heisse Dusche, ein schmackhaftes Gericht oder Musik bewirken dasselbe. Wichtig ist aber, die Emotionen nicht dauerhaft wegzuschieben, sondern sie so bald als möglich anzuschauen.



Emotionen analysieren

Die Analyse von Emotionen benötigt etwas mehr Raum und Zeit. Sobald wir uns einer Emotion bewusst geworden sind, können wir uns die unten stehenden Fragen stellen, hier wiederum bezogen auf den Ärger. Empfehlenswert ist, die Fragen und Antworten mündlich oder schriftlich auszudrücken – dies hilft bei der Verarbeitung.

- Ich war ärgerlich – aber wie ist es dazu gekommen?
- Was genau hat mich geärgert?
- Warum hat mich das geärgert?
- Wie berechtigt ist dieser Ärger? Wie wahrscheinlich ist es beispielsweise, dass ein unerwünschtes Ereignis eintritt? Oder: Hat er oder sie wirklich aus bösem Willen gehandelt oder war das nur ein Missverständnis?
- Wenn der Ärger berechtigt ist, was müsste für mich anders sein?
- Welche Botschaft hat der Ärger für mich insgesamt?


Es geht also darum, die Zusammenhänge zwischen Auslösern (sog. Triggern), Emotionen, Gedanken und Reaktionen zu erkennen. Auf diese Weise kommen wir unseren emotionalen Mustern auf die Spur: Es sind gleiche oder ähnliche Auslöser, die uns aufgrund bestimmter Erfahrungen immer wieder gleich oder ähnlich emotional reagieren lassen. Wenn wir das Muster erkennen, das gerade abläuft, und uns den Auslösern bewusst sind – den Situationen, Handlungen, Gedanken oder Bildern, die uns in Wut, Angst, Trauer usw. versetzen –, dann haben wir der Emotion schon einiges an Gewicht genommen. Auf diese Weise lernen wir nach und nach, mit starken Emotionen umzugehen. Und wenn wir diese Emotionen rasch verstehen und einordnen können, dann haben wir wiederum mehr Raum für Empathie: Wir können mehr Bewusstsein und Verständnis für die Situation und die Gefühle anderer entwickeln.



Positive Emotionen kultivieren

Negative Emotionen gelten seit jeher als Hindernisse auf dem Weg zum spirituellen Glück. Für die Buddhisten beispielsweise sind Gier, Hass und Verblendung die Geistesgifte, die uns im Wiedergeburtenkreislauf gefangen halten. Zusammen mit Stolz, Genusssucht, Masslosigkeit, Neid und Trägheit machen Gier und Hass auch den Grossteil der sog. Todsünden der katholischen Lehre aus, die den Menschen in weite Gottesferne rücken. Folgerichtig sollen negative Emotionen gezügelt und kontrolliert werden (z.B. durch die Analyse, siehe oben). Positive Emotionen wie Freude, Güte, Liebe, Dankbarkeit und Mitgefühl sind dagegen zu kultivieren.

Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, positive Emotionen zu entwickeln. Im Prinzip sind alle Gedanken, Handlungen und Begegnungen förderlich, die in uns eben jene Emotionen erzeugen. Haben wir negative Emotionen in uns, können wir durch die Analyse versuchen, sie in positive Emotionen umzuwandeln. Beispielsweise hat die verletzende Bemerkung eines Freundes Ärger oder Trauer in uns ausgelöst. In der Analyse wird uns womöglich bewusst, das der Freund gegenwärtig unter grosser Anspannung steht oder aus Angst handelt. So können wir Verständnis und Mitgefühl entwickeln. Oder wir erkennen, dass er nicht die Absicht des Verletzens hatte, sondern einfach Worte wählte, die ein emotionales Muster in uns ausgelöst haben – und wir können Nachsicht und Güte walten lassen

Positive Emotionen können wir auch ohne konkreten Anlass kultivieren. Hilfreich sind diverse Meditationsübungen, wie sie etwa aus der buddhistischen Praxis bekannt sind (z.B. die vier Brahmaviharas: Güte, Mitgefühl, Mitfreude und Gleichmut). Beispielsweise können wir Situationen visualisieren, in denen wir Frieden und Freude erfahren. Oder wir visualisieren geliebte Menschen und strahlen Güte und Liebe für sie aus. Oder wir konzentrieren uns auf die Herzgegend, atmen Licht ein und atmen Liebe für uns selbst und für alle Menschen aus. Wie Studien gezeigt haben, fördern Übungen der Achtsamkeit, Meditation sowie Gebete generell positive Emotionen (Yaden 2020). Ein paar Minuten, in denen wir uns entspannt hinsetzen und auf den Atem oder auf innere Vorgänge achten, genügen bereits, um uns in eine positivere Stimmung zu versetzen.

(Fortsetzung folgt …)

Literatur/Links:

    - Dittmar, Viviane (2014): Gefühle & Emotionen – Eine Gebrauchsanweisung. Edition Est
    - Goleman, Daniel (2005): Emotional Intelligence. New York u.a.: Bantam Books
    - Grundmann, Tanja (n/a): „Emotions- und Beziehungssucht: Die Grundursache jeder Abhängigkeit“. Beziehung-in-Balance.de. beziehung-in-balance.de (4.5.22)
    - Kappelhoff, Hermann u.a. (Hg.) (2019): Emotionen. Ein interdisziplinäres Handbuch. Berlin: J. B. Metzler
    - McLauren, Karla (2010): The Language of Emotions. What Your Feelings Are Trying to Tell You. Boulder: Sounds True
    - Orloff, Judith (2010): Emotional Freedom. Liberate Yourself From Negative Emotions and Transform Your Life. New York: Harmony Books
    - Pietzonka, Manuel (2020): „Emotionspsychologie 1 – Was sind Emotionen und wie entstehen sie?“ Youtube.com. youtube.com (10.5.22)
    - Tausin, Floco (2011): „Haarsträubend“. Kinki Magazin 34: 50-52
    - Tausin, Floco (2010): Mouches Volantes - Die Leuchtstruktur des Bewusstseins. Bern: Leuchtstruktur Verlag
    - Vaas, Rüdiger (n/a): „Emotionen“. Lexikon der Neurowissenschaft / Spektrum.de. spektrum.de (10.5.22)
    - Yaden, David Bryce (2020): „The Psychology of Religious Rituals and Practices“. Rituals and Practices in World Religions. Cross-Cultural Scholarship to Inform Research and Clinical Contexts, hrsg. v. David Bryce Yaden u.a.. Cham: Springer: 17-30