Beschreibung
(pdf Datei, 3 Abb.)
Und Gott sprach: Das ist das Zeichen des Bundes, den ich stifte zwischen mir und euch und den lebendigen Wesen bei euch für alle kommenden Generationen: Meinen Bogen setze ich in die Wolken; er soll das Bundeszeichen sein zwischen mir und der Erde. (Genesis 9.12-13)
Einführung
In der Ethnologie und Psychologie ist seit längerem bekannt, dass veränderte Bewusstseinszustände die Wahrnehmung von subjektiven visuellen Phänomenen begünstigen. Gemeint sind damit einerseits Halluzinationen und anderseits sogenannte entoptische Erscheinungen. Letztere sind leuchtende bewegte geometrische Formen, die sich häufig in Trancezuständen vor dem Auge des Betrachters abspielen. Da man annimmt, entoptische Erscheinungen entstehen irgendwo zwischen der Netzhaut im Auge und dem visuellem Cortex im Hirn, zählen sie zu den kulturunabhängigen universellen Charakteristiken der Menschheit. Schamanen, Druiden, Seher, heilige Männer und Frauen früherer und heutiger Gesellschaften sahen solche Formen während rituellen Zeremonien und gaben ihnen religiöse Bedeutungen. Entsprechend wurden sie seit tausenden von Jahren sowohl von aussereuropäischen wie von europäischen vormodernen Gesellschaften kunstvoll auf Werkzeugen, Töpfen, Felsen und Höhlenwänden abgebildet.
In diesem Artikel stelle ich einen heute lebenden Einsiedler vor, der sich als „Seher“ versteht. Als Folge seiner Bewusstseinsentwicklung ist er auf eine bestimmte Art von entoptischen Phänomenen gestossen, die er seit Jahren in seinem Sehen weiterentwickelt. Ich traf ihn mitte der 1990er Jahre, als ich von Bern hin und wieder ins Emmental fuhr, um nach alten, nicht mehr gebrauchten Möbeln zu suchen, welche ich nebenher restaurierte und verkaufte. Dieser Mensch, der sich Nestor nennt, beeindruckte mich durch seine Lebensweise und Weltanschauung, so dass ich ihn in den folgenden Jahren regelmässig besuchte und von ihm lernte.
Was ich im folgenden beschreibe, ist eine Zusammenfassung von Nestors Wahrnehmung entoptischer Erscheinungen sowie von seinen Interpretationen des Sehens, wie er sie mir in zahlreichen Gesprächen dargelegt hat. Seine Ausführungen legen das Fundament für eine aussergewöhnliche Sehtheorie, welche eine bestimmte Art von subjektiven visuellen Phänomenen mit verschiedenen Bewusstseinszuständen verknüpft. Die Basis dieses Sehens ist eine entsprechende Lebensweise, die eine ethische Grundhaltung, Ernährungspraktiken, körperliche Übungen, Atemübungen, visuelle Konzentrations- und Meditationspraktiken sowie gezielt herbeigeführte Bewusstseinserweiterungen umfasst…