Beschreibung
Mouches volantes – Glaskörpertrübung oder Bewusstseinslicht? Der Blick auf die Religionen lässt vermuten, dass Mouches volantes für viele Menschen eine spirituelle Bedeutung hatten. In diesem Artikel werden Mouches-volantes-Motive in der mittelalterlichen christlichen Mystik vorgestellt.
Alle haben sie, fast alle sehen sie, und nur wenige schauen hin: die vereinzelten, transparenten und beweglichen Punkte und Fäden im Blickfeld. In der Augenheilkunde werden sie „Mouches volantes“ genannt und als Glaskörpertrübung verstanden. Dieser Artikel basiert auf der seherischen Erfahrung, dass Mouches volantes keine Trübung, sondern eine leuchtende Struktur und ein Ausdruck unseres Bewusstseinszustandes sind. Deshalb nenne ich sie im Folgenden „Leuchtstruktur“ oder „Leuchtkugeln“ und „Leuchtfäden“.
In meiner weiteren Forschung fand ich zahlreiche Hinweise darauf, dass die Kugeln und Fäden der Leuchtstruktur – zusammen mit anderen entoptischen Erscheinungen – bereits von früheren Menschen vieler Kulturen wahrgenommen wurden. Die Vermutung ist, dass frühe Ekstatiker oder Schamanen sie während Praktiken der rituellen Bewusstseinsveränderung gesehen, mythisch oder spirituell gedeutet und künstlerisch ausgedrückt haben. Und dass diese Erscheinungen von da Eingang in die frühen Zivilisationen gefunden haben oder auch neu entdeckt wurden. In dieser Artikelreihe entwickle ich diese Idee weiter: Als sich die Religionen als eigene Systeme herauszubilden begannen, wurden auch sie Träger der Leuchtstruktur-Symbolik. Mit dieser These widmet sich der vorliegende Artikel der christlichen Mystik im mittelalterlichen Europa.
Keltisches Christentum
Die frühen christlichen Gnostiker und Mystiker propagierten eine Weltsicht, in der Erlösung für alle jenseits der kirchlichen Vermittlung möglich war. Voraussetzungen waren ein weltabgewandtes Leben in Besitzlosigkeit und die Reinigung von Körper, Seele und Geist durch Askese und Kontemplation. Auf dem europäischen Festland entwickelte sich das Mönchtum jedoch eher auf der Grundlage des Kirchenlehrers Augustinus von Hippo (354-430): ihm zufolge musste die Sündhaftigkeit des Menschen unterdrückt und kontrolliert werden, der Mensch habe keinen freien Willen, nur Gottes Gnade kann ihn erlösen. Ekstatische und visionäre Gotteserkenntnis hatte hier wenig Raum, eine Vergottung des Menschen wie im Hesychasmus war unmöglich…