Thema des neuen Buches sind wieder die Gespräche zwischen Floco, Nestor und den Seherinnen und Sehern der „linken Seite der Emme“. Erstmals begegnet Floco aber auch anderen Schülerinnen und Schülern, die das Sehen lernen. Im Mittelpunkt der Gespräche und Begegnungen steht das ganzheitliche Sehen der transparenten fliegenden Punkte und Fäden im Blickfeld, den so genannten „Mouches volantes“. Erforscht und beschrieben werden sie als Konzentrationsgegenstand für die Meditation mit offenen Augen; als leuchtende Bewusstseinsstruktur, in welcher wir einen Weg zu unserem Ursprung zurücklegen; sowie als Ursache von Erscheinungen in Natur und Kultur.
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Lassen sich Ökosysteme also als materielle Erscheinung der Leuchtstruktur verstehen? Die Gemeinsamkeiten, die ein Blick auf die zentralen Merkmale und Prozesse von Ökosystemen enthüllt, sprechen dafür.
Erstens sind Ökosysteme offen, insofern Energie, Stoffe und Organismen in das System eingehen oder es verlassen können. Ein Ökosystem ist also jeweils ein betrachteter Ausschnitt eines grösseren Lebensraumes. Die Ökosysteme der gesamten Biosphäre gehen fliessend ineinander über. Auch in der Leuchtstruktur können wir immer nur einen Ausschnitt aus der viel grösseren und möglicherweise grenzenlosen Struktur sehen. Kugeln und Fäden können in das Blickfeld gelangen oder daraus verschwinden, sei es durch die Anziehungskraft, durch die Bewegungen der Augen oder durch den Weg, den wir durch die Bewusstseinsintensivierung in der Leuchtstruktur zurücklegen. Und so wie Energie als Sonneneinstrahlung in ein Ökosystem gelangt und als Wärme oder Gase wieder daraus entweicht, geben wir Energie in der Form von Konzentration und Ekstase in die Leuchtstruktur und erhalten daraus reines Bewusstseinslicht.
Zweitens sind Ökosysteme dynamisch, insofern sich die Umweltbedingungen ständig verändern und die Organismen sich daran anpassen. So haben beispielsweise Dschelada-Affen im äthiopischen Hochland die Fähigkeit entwickelt, Gras zu verdauen, da es in diesen Höhen kein anderes Futter gibt. Oder bei Fischen und Molchen in Höhlen, in die kein Tageslicht dringt, haben sich Augen und Pigmente zurückentwickelt; sie registrieren ihre Beute durch Sensoren auf der Haut. Solche Anpassungen sind langwierige Vorgänge, bei denen eine Generation ihre Umweltprägungen und Erfahrungen an die nächste weitergibt. In energetisch-abstrakter Weise lässt sich dieser Sukzessionsvorgang als Sprung der Energie von einer Einheit auf die nächste begreifen, wobei die gesamte Gruppe sich erneuert und anpasst. Genau dies passiert in der Leuchtstruktur mit den sich bewegenden Fäden oder Gruppen von Leuchtkugeln: Bei näherer Betrachtung handelt es sich nicht um bewegte Kugeln, sondern um Licht, das von der einen Kugel auf die nächste springt (Tausin 2006). Dabei wird dieselbe Konstellation reproduziert, aber an die neue Situation – Bewegungsimpulse der Augen, Lokalität, Lichtverhältnis, Konzentration – angepasst.
Drittens sind Ökosysteme vielfältig und komplex. Bodenbeschaffenheit, Salz- und pH-Gehalt, Winde, Wasser, Temperatur und generell das Klima bestimmt den Lebensraum und damit die Arten von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen sowie ihre interspezifischen Beziehungen. Das hauptsächliche Interesse der Ökosystemanalyse liegt im Fluss von Energie und Nährstoffen zwischen den Organismen und ihrer Umwelt. Vereinfachend kann dieser Fluss als Nahrungspyramide dargestellt werden, die die sog. trophischen Stufen, d.h. die Stufen der Nahrungskette, zeigt: Die Basis bilden die Produzenten (v.a. Pflanzen), die aus anorganischen Stoffen und Sonnenlicht Biomasse erzeugen. Dieses organische Material steht den Primärkonsumenten (Pflanzenfresser) zur Verfügung, welche wiederum Nahrung sind für die Sekundär-, Tertiär-, usw. bis hin zu den Endkonsumenten (Fleischfresser). Die Ausscheidungen und Kadaver der Organismen werden von den Destruenten (Bakterien, Pilzen) zersetzt und in Mineralstoffe transformiert, die wiederum Nährstoffe für die Pflanzen sind. Stoffe und Energie gehen also von einem Organismus über zum nächst höheren.
Das Äquivalent dieses Energieflusses durch die Stufen der Nahrungspyramide ist der „Weg in der Leuchtstruktur“, also die grösseren Lichtsprünge durch die Schichten des Bewusstseins, bei dem das Licht immer weniger, dafür grössere Kugeln beleuchtet. Betrachten wir eine beleuchtete Kugel näher, können wir zwei Richtungen feststellen, in die die Energie weiterfliesst: nach aussen, d.h. zum Betrachter hin, und nach innen, d.h. vom Betrachter weg. Dies lässt sich an den hellen und dunklen Anteilen der Kugeln und Fäden sehen. Im Ökosystem gibt es ebenfalls den Fluss „nach innen“ und „nach aussen“, insofern jeder Organismus die ihm zugekommene Energie einerseits für seinen Eigenbedarf verwendet bzw. veratmet, andererseits in den Aufbau der Biomasse – in seinen Körper und in seine Nachkommen – investiert. Auf den höheren trophischen Stufen der Nahrungspyramide befinden sich allerdings weniger Individuen, weniger Biomasse und weniger Energie – denn bei jeder Transformation von Energie geht ein Teil verloren. Im Gegensatz zu den Pflanzen stecken die Endkonsumenten viel mehr Energie in den Lebenserhalt und viel weniger in den Aufbau der Biomasse. Ähnlich verhält es sich mit der Leuchtstruktur: Nach oben hin nimmt die Anzahl der Kugeln ab – die Energie wird hier direkter mit der Umwelt ausgetauscht, ohne erst eine Masse aus Kugeln aufzubauen.
Ökosysteme wie auch die Leuchtstruktur sind trotz ihrer Dynamik und Komplexität relativ stabil. In der Natur verändern sich die abiotischen Bedingungen eines Ökosystems – Temperatur, Licht, Wasser, Wind, Bodenbeschaffenheit u.a. – üblicherweise in einem Rahmen, an den sich die Organismen gut anpassen können. Durch Anpassung und Selbstregulation können sie ihre mittlere Populationsdichte aufrechterhalten, das System bleibt im Gleichgewicht. In der Leuchtstruktur bleiben die äusseren und inneren – oder psychophysischen – Bedingungen ebenfalls relativ konstant. Zwar können Faktoren wie Sonnenlicht, Augenbewegungen, Konzentration, Energieumsatz je nach Tageszeit, Verfassung und Tätigkeit variieren und damit auch die Leuchtkraft und Position der Kugeln und Fäden verändern. Doch diese Veränderungen sind eher klein, die individuellen Muster der Leuchtstruktur werden erhalten, und die Kugeln und Fäden tendieren dazu, in ihre Ausgangsposition und zu ihrem durchschnittlichen Leuchten zurückzukehren.
„Störungen“ hingegen – ein ökologischer Begriff für grosse plötzliche Veränderungen – sind eine grössere Herausforderung für ein System. Im Fall von Ökosystemen können dies natürliche Waldbrände oder Wirbelstürme sein, aber auch die durch den Menschen verursachte Belastung von Gewässern durch zu viel Stickstoff und Phosphor aus landwirtschaftlichen Düngemitteln (Eutrophierung) oder die globale Erwärmung infolge der Zunahme von Treibhausgasen in der Atmosphäre. Im psychophysischen System hingegen können schwere psychische Belastungen, aber auch kontrolliert herbeigeführte intensive Bewusstseinsveränderungen zu einer grossen sichtbaren Veränderung der Leuchtstruktur führen – die Seher sprechen vom „Sprung in die linke Seite“. Solche Störungen werden von den Systemen allmählich aufgefangen und zu einem neuen Gleichgewicht geführt. In extremen Fällen entwickelt sich daraus ein dauerhaft verändertes Ökosystem – oder auch ein dauerhaft veränderter Bewusstseinszustand, der die Leuchtstruktur grösser und intensiver erscheinen lässt.
Die Bausteine des Universums zeigt, wie durch die Kombination von entoptischen Formen wie der Leuchtstruktur mit älteren bedeutungsvollen Symbolen neue Bilder entwickelt werden. Dieser Prozess ist vermutlich so alt wie das menschliche Kunstschaffen selbst. Auf diese Weise erfährt die Leuchtstruktur eine spezifische Interpretation – im Fall von Patrizias Bild als Teil des kosmischen Ursprungs – wodurch ein neues Symbol entsteht. In der anderen Richtung der Zeitachse lassen sich die älteren Symbole ebenfalls als ursprüngliche entoptische Formen annehmen, die mit der Zeit an symbolischer und künstlerischer Komplexität gewonnen haben. Die genannten Symbole von Stelzl beispielsweise bestehen alle aus Punkten, Kreisen und Linien. Manche davon – wie der punktierte Kreis als Symbol für „Gott im Innen und Aussen“ – lassen sich bereits in steinzeitlichen Höhlenmalereien finden. Womöglich sind sie durch das Sehen inspiriert und wurden in den entsprechenden Darstellungen in einen grösseren Bedeutungszusammenhang integriert (Tausin 2006). Abstrakt-symbolische Bilder wie Patrizias Bausteine des Universums erscheinen vor diesem Hintergrund als eine Überlagerung verschiedener Zyklen des Sehens, Interpretierens und Tradierens.
Danke, Patrizia, für deine Bilder!
Was sich bewegt, ist einfacher zu erfassen, aber schwieriger im Detail zu sehen. Dies trifft auch auf die Leuchtstruktur zu. Am Anfang werden wir auf die Punkte und Fäden aufmerksam, weil sie sich bewegen. Doch ihre Bewegungen sind chaotisch und unkontrollierbar – und die Leuchtstruktur schwer zu sehen. Durch Übung entwickeln wir allmählich ein Gefühl für die Bewegungen und lernen, sie länger im Fokus zu halten (News 1/19).
Beim Sehen geht es nun darum, einen Zustand herzustellen, in dem sich die fokussierten Kugeln nur noch ganz wenig bewegen und nicht mehr aus dem Fokus – geschweige denn aus dem Bild – verschwinden. Die Seher nennen dies das „Festhalten“ der Kugeln und Fäden. Das Festhalten ist der Moment, an dem die Seherin oder der Seher nicht mehr der seitlichen Bewegung einer fokussierten Kugel in derselben Schicht folgt. Sondern sie oder er folgt der Kugel nun in die Tiefe, also durch die Schichten hindurch. In den Worten von Nestor ausgedrückt: Festhalten bedeutet, die Schwerkraft im Bild überwunden zu haben und nun daran zu arbeiten, die Zeit anzuhalten.
Das Festhalten ist eine willentliche konzentrative Anstrengung. Wie alle seherischen Übungen hat es eine physiologische und eine geistig-spirituelle Seite. Eine bestimmte Augenstellung fördert unsere Konzentration und hilft, uns ganz auf das wahrgenommene Objekt auszurichten. Die Seher nennen es das „Doppeln“. Beim Doppeln schielen wir nach innen und ziehen den Konzentrationspunkt auf eine nähere Schicht, so dass sich das Hintergrundbild verdoppelt. Das Doppeln von Punkten und Fäden hilft, diese besser festzuhalten.
Doppeln ist eine fortgeschrittene Übung und beansprucht die Augenmuskulatur (News 1/17). Wer noch nicht doppeln kann, kann es erlernen, indem sie oder er den Arm vor sich ausstreckt und auf den Zeigefinger blickt. Den Zeigefinger dann langsam an sich heranziehen und erkennen, wie sich im Hintergrund die beiden Bilder überlagern. Auf diese Weise entwickeln wir langsam ein Gefühl in den Augen, und irgendwann brauchen wir den Zeigefinger nicht mehr.
Abgesehen von der Leuchtstruktur gibt es zwei weitere empfehlenswerte Objekte sowohl der äusseren wie der inneren Leinwand, um das Doppeln und damit Konzentration zu üben. Das Doppeln auf zwei Kreisfiguren mit Überlagerung einer mittleren Figur eignet sich in zweifacher Weise: einerseits wirkt die überlagerte Figur wie ein Anker und stabilisiert die Augenmuskulatur. Andererseits werden durch den Blick auf die überlagerte Figur die beiden Hirnhälften synchronisiert, was den Eintritt in einen meditativen Zustand erleichtert (Tausin 2009). Wichtig ist, dass die Bilder stets scharf gesehen werden (News 1/07). Leuchtkugel-Kreisfiguren zum Download oder Ausdruck gibt es von Michael (News 1/15) und von Shane (leuchtendes-bewusstsein.ch). Auch das Bild Die Bausteine des Universums sowie deren Variationen von Patrizia (Rubrik: Bilder und Stimmen) eignet sich dazu.
Die andere Möglichkeit ist das Doppeln mit geschlossenen Augen. Als Konzentrationsobjekt nehmen wir das Leuchten auf der inneren Leinwand. Dabei handelt es sich um mehr oder weniger farbige, helle Flecken, die dort pulsieren, wo sich unser Blick konzentriert. Aus physiologischer Sicht handelt es sich um sog. Phosphene. Für die Seher hingegen sind diese Lichter eine Erscheinung des „Energiefeldes der Leuchtstruktur“ (Tausin 2012). Denn bei näherer Betrachtung können wir in diesen Energiewolken die kleinen, scharfen und kaum beweglichen Kugeln sehen, die jeweils an der schärfsten Stelle des Sehens leuchten. Die Seher sagen, dass irgendwo an dieser Stelle auch unsere „Quelle“, d.h. die letzte Kugel, verborgen ist. Das Doppeln auf das innere Licht ist also auch eine Vorbereitung auf das Sehen in intensiveren Bewusstseinszuständen. Hierbei hilft, dass alle anderen visuellen Reize ausgeschlossen werden, so dass wir uns ganz auf das innere Licht konzentrieren können. Weil wir allerdings kein visuelles Feedback und keinen „Anker“ wie die überlagerte Kreisfigur haben, verändert sich die Stärke des Doppelns dauernd. Dabei kann es zu einer Überanstrengung kommen, die sich als Schmerzen in der Augenmuskulatur, in der Stirn und im Extremfall als Übelkeit zeigen kann. Dann gilt es die Augen wieder zu entspannen oder die Übung abzubrechen. Mit der Zeit entwickeln wir das Gefühl für ein gut verträgliches Mass für das Doppeln auf das innere Licht.
- Webseite von Shane: leuchtendes-bewusstsein.ch
- Tausin, Floco (2012): Mouches volantes (MV) und andere subjektive visuelle Phänomene. mouches-volantes.com (19.8.19). Bern: Leuchtstruktur Verlag
- Tausin, Floco (2010): Mouches Volantes - Die Leuchtstruktur des Bewusstseins. Bern: Leuchtstruktur Verlag
- Tausin, Floco (2009): „Meditation mit offenen Augen – Der visuelle Weg zur Entwicklung des Inneren Sinns“. GreenBalance 13. (19.8.19)